Elternwerden Muttertät Vatertät

Muttertät und Vatertät

Eine neue Sicht auf die Dinge

„Muttertät“ – was für ein Titel. Letzte Woche ist ein – wie ich finde – ganz wundervolles Buch der zwei Autorinnen Svenja Krämer und Hanna Meyer erschienen. (zum Buch: https://www.muttertät-plötzlich-alles-anders.de)

Der Begriff Matrescence oder Muttertät ist mir in den letzten 1,5 Jahren auf meiner Reise mit meinem Start-Up MyMox GmbH zum ersten Mal begegnet. Die amerikanische Forschung und auch die Arbeit der Doulas (wir haben in unserem Blog einen Gastbeitrag von Doula Nadine  – https://www.mymoxbox.de/dienerin-der-frau-was-macht-eine-doula/) ist hier voraus. Das Prinzip „mothering the mother“ setzt genau auf den radikalen Veränderungsprozessen einer Frau an, sobald sie sich auf den Weg in die Mutterschaft begibt. Die Doulas in Deutschland leisten hierzulande wichtige Aufklärungsarbeit (https://www.doulas-in-deutschland.de).

Alexandra Sacks hat 2017 in der New York Times einen spannenden Beitrag veröffentlicht (https://www.nytimes.com/2017/05/08/well/family/the-birth-of-a-mother.html). Wichtig sind die Dimensionen, die Einfluss auf die Muttertät haben: 

1.     Wandel der Familiendynamik: Ein Baby macht ändert anders – Intimität, Stress (Berechenbarkeit, Selbstwirksamkeit, …)

2.     Ambivalenz: wir erleben als Mütter nicht nur Gutes oder Schlechtes, sondern beides. Mit diesem ungewohnten und unangenehmen Gefühl der Ambivalenz müssen wir umgehen lernen

3.     Fantasie vs. Realität: Wir malen uns im Vorfeld Bilder von uns als Mutter, von unseren Kindern. Wir schauen bei Freundinnen, Verwandten, in Social Media. Diese Vorstellungen können uns enttäuschen, wenn die Fantasie von der Realität abweicht. 

4.     Schuld und Scham: das Bild der idealen Mutter, dass immer noch in unseren Köpfen verkehrt, kann enormen Druck produzieren und uns selbst vergessen lassen. Wir können diese Erwartungen schlichtweg nicht immer erfüllen, was zu Schuld und Scham führt. 

5.     Intergenerationalität: Mutterschaft ist ein „Do-over“! Der Prozess des Mutterwerdens ist auch verbunden mit dem Auseinandersetzen mit den eigenen Erfahrungen aus der Kindheit. Das kann wunderbar schmerzhaft und triggernd sein

6.     Konkurrenz: Partner, Freunde, Familie stehen in Konkurrenz zur Aufmerksamkeit für das Baby. 

Sacks ist eine der Vorreiterinnen zur Mütterforschung. 

Das Buch “Muttertät” betreibt wunderbare Aufklärungsarbeit zu dieser besonderen Reifephase im Leben. Wenig stellt so nachhaltig alles auf den Kopf wie die Mutterschaft. 

Es gibt 5 Ebenen auf die die Muttertät Einfluss hat: 

1.     Körper

2.     Psyche

3.     Beziehung

4.     Beruf

5.     Spirituelle Ebene

Ich möchte da nur mal zwei Ebenen rauspicken: 

  • Körper: Neben den hinlänglich bekannten Themen wie den Mom Body, akuten Schlafmangel und hormonellen Veränderungen, finde ich den Aspekt der Reorganisation des Hirns besonders spannend. So konnte in MRT-Scans nachgewiesen werden, dass es in einem mütterlichen Gehirn zu einem Rückgang der grauen Substanz von bis zu 7% kommen kann – dies war noch zwei Jahre nach der Geburt sichtbar. Besser bekannt ist das Phänomen der Schwangerschafts- oder Stilldemenz (Mommy Brain), wovon 80% der Schwangeren oder Neumütter betroffen sind. Grund hierfür ist eine Reorganisation des Hirns zu Gunsten des Nachwuchs: das Gehirn optimiert Areale, die für Empathie und Sozialverhalten zuständig sind. Ich kann mich noch blendend an mein erstes Bewerbungsgespräch zum Ende der ersten Elternzeit erinnern: ich hatte Wortfindungsstörungen und konnte auf einen Großteil meines fachlichen Know Hows nicht zugreifen. Ich war geschockt. Aber dafür konnte ich auf einmal viel besser Menschen lesen und regelrecht spüren, ob ich eine Nachfrage zum Befinden des anderen stellen sollte oder spürte sehr schnell schlechte Chemie in Teams oder Gesprächen. Ich hatte Wahnsinns-Antennen, die mich als Führungskraft unterstützt haben. Trotzdem kann ein derartiger Prozess für Unsicherheit und Frust sorgen. So bin ich nicht mehr ganz die, die man beispielsweise an der Arbeit gewohnt war…  
  • Beruf: 47% der Frauen ohne Kind haben das Gefühl, dass die Entscheidung für ein Kind ihre Karriere negativ beeinflusst. OMR und Appinio bringen diese aufrüttelnde Zahl in der Studie “VEREINBAR. Frauen, Karriere, Kinder – eine Studie”. Oder nennen wir es Mamifalle. Der Arbeitstag ist begrenzt – wo wir vorher gern flexibel und überstundenbereit waren – gibt es nun auch andere Verpflichtungen, die sich nicht schieben lassen. Wir sind ständig hin und her gerissen zwischen dem, wie wir uns im Job erinnern und welche Möglichkeiten wir nun haben. Zwei Herzen schlagen also in unserer Brust. Wir müssen akzeptieren lernen, dass wir uns als beides sehen müssen: also als Working Mom mit allem, was dranhängt: komische Blicke, wenn wir nach 16 Uhr keine Termine mehr machen, wir früher als die anderen das Büro verlassen, mal im Call ein krankes Kind auf dem Schoß haben, wir übers Wochenende keine Arbeit mitnehmen…und trotzdem einen großartigen Job machen können. Kaum einer, der es selbst nicht erlebt hat, weiß, wie hart wir Mütter arbeiten, um trotz Schlafmangels und Mental Load einen guten Job zu leisten.  

Aber auch die Väter bleiben nicht verschont: was ist mit der Vatertät. 

Mit der Ankunft des Babys werden sowohl Mutter als auch Vater geboren. Natürlich ändert sich dadurch auch die Paarbeziehung. Aber bereits zuvor erleben manche Männer die Schwangerschaft physisch mit: die Rede ist vom Couvade-Syndrom. Hormonelle Veränderungen führen zu Übelkeit, Stimmungsschwankungen oder einer Gewichtszunahme. Sie durchlaufen also ähnliche körperliche Veränderungen, wie sie auch mit der echten Schwangerschaft einhergehen. Diese Erscheinung wird auch Co-Schwangerschaft genannt. Optisch können wir das am Dad Bod beobachten, der ähnlich wie der Postpartum-Körper der frisch gebackenen Mutter runder ist. Und auch bei Vätern kommt es zur einer – wenn auch schwächer als bei den Müttern ausgeprägten – Umstrukturierung (Plastizität) des Hirns und einen Rückgang von grauer Substanz. 

Laut der Studie „Postpartum Depression in Men“ von J.R. Scarff aus dem Jahr 2019 leiden 8-10% der frisch gebackenen Väter an postpartalen Depressionen (12% der Frauen). Besonders kritisch ist die Phase ca. drei bis sechs Monate nach Geburt.       

Wieso ist Muttertät und Vatertät für Arbeitgeber interessant? 

Ein besseres Verständnis für diese besondere Lebensphase von Frauen und Männern zu erhalten, hilft im Umgang mit den Kolleg:innen. Das Wissen, dass sowohl Männer als auch Frauen einen absolut geänderten Kosmos erleben und den Ansprüchen nicht mehr in gewohnter Art begegnen können, dafür meist neue Fähigkeiten auf sozialer, kommunikativer und empathischer Ebene aufbauen, kann uns allen dabei helfen, die Themen und Verantwortungen mit den richtigen Menschen zu betrauen. 

Hilfreich wäre es ebenso für diese besondere Lebensphase den sozialen Druck (Vergleich und Bashing) und den Druck am Arbeitsplatz rauszunehmen. Eltern stehen mindestens in den ersten zwei Jahren nach Geburt unter besonderen Herausforderungen, denn Körper, Seele, Partnerschaft, soziale Kontakte – alles ist anders. Das normalisiert sich jedoch wieder. Gerade, bei langen Firmenzugehörigkeiten relativiert sich dieser überschaubare Zeitraum über die Zeit der Zusammenarbeit. Was uns alle weiter bringt ist ein wertschätzender Umgang und eine Würdigung dessen, was die Eltern da gerade leisten. Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ist letztlich nicht nur durch das Mutterschutzgesetz begrenzt, sondern ausdehnbar. Führungskräfte sollten ihre Kolleg:innen gut geschult bzw. erfahren durch diese Zeit begleiten können.

Die Sensibilisierung spielt auch im #warfortalents eine Rolle: nicht nur für familienfreundliche Arbeitgeber, sondern für alle Unternehmen, denen Mitarbeiterbindung, Zukunftsfähigkeit und ihre Arbeitgebermarke wichtig sind. 

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