Babyblues vs. Wochenbettdepression

Gastbeitrag von Dr. med. Rieke Hermann (Ärztin in der Frauenheilkunde, Mutter von 2 Kindern) über Wochenbettdepression

Das Baby ist da, doch die Glücksgefühle bleiben aus. Nicht jede Mutter empfindet die Zeit nach der Geburt ihres Kindes als positiv. Von Außen wird erwartet, dass sie der glücklichste Mensch auf Erden ist, doch sie selbst spürt eine große Traurigkeit. Tränen fließen und oftmals fehlt dafür das Verständnis. Ein Wechselbad der Gefühle in den ersten Wochen nach der Geburt kennen viele, doch was ist, wenn die Traurigkeit bleibt? In diesem Blogartikel erfährst Du, was der Unterschied zwischen einem Babyblues und einer Wochenbettdepression ist und wie Du dies erkennst.

Der Babyblues

Besser bekannt als die „Heultage“ beschreibt der Babyblues einen vorübergehenden Verstimmungszustand, der sich bei den meisten Frauen um den 3.-5. Tag nach der Geburt bemerkbar macht. Insgesamt kommt es bei 50-70% der Frauen zu diesem wahren Gefühlschaos.

Zeichen eines Babyblues

Typische Symptome sind u.a.:

  • Traurigkeit
  • häufiges Weinen
  • Appetitlosigkeit
  • Schlafstörungen
  • Ruhelosigkeit
  • Konzentrationsstörungen
  • Energielosigkeit

Die Symptome halten wenige Stunden bis maximal eine Woche an. Meistens ist um den 6.-8. Tag nach der Geburt der Höhepunkt des Babyblues erreicht.  

Ursachen und Behandlung

Die Ursache liegt vor allem an den abrupt abfallenden Hormonspiegeln. Insbesondere das Östrogen, welches einen antidepressiven Effekt hat, sowie das Progesteron mit seinem angstlösenden Aspekt, spielen dabei eine große Rolle. Dazu kommen oftmals ein körperliches Unwohlsein (Wochenfluss, Geburtsverletzungen, Milcheinschuss etc.) der Frau und das Zurechtfinden in der neuen Lebenssituation als Mutter. Sobald der Körper das Gleichgewicht der Hormone einigermaßen wiedergefunden hat, verschwinden die Symptome des Babyblues.

Die Symptome des Babyblues benötigen keine medizinische Behandlung. Wichtig ist, dass die Mutter in der Zeit des Babyblues zu entlasten und ihr den Raum zur Akzeptanz der Gefühle und dem Loslassen zu geben. Viel Kuscheln und Hautkontakt mit dem Baby helfen sehr.  

Wichtig: Der Babyblues ist ein vorübergehender Verstimmungszustand!

Die Wochenbettdepression oder Postpartale Depression

Wesentlich belastender und schwerwiegender als der Babyblues ist die sogenannte Wochenbett- oder postpartale Depression. In Deutschland erkranken ca. 10-15% der Frauen nach der Geburt an einer Wochenbettdepression. Oftmals ist das Erkennen jedoch nicht einfach, da die Symptome schleichend zunehmen und anfangs schwer von den alltäglichen Belastungen im neuen Familienleben zu unterscheiden sind. Zur Abgrenzung gegenüber des Babyblues ist eine Wochenbettdepression eine schwere, länger andauernde, behandlungsbedürftige depressive Erkrankung, die im ersten Jahr nach einer Geburt auftritt.

Symptome einer Wochenbettdepression:

Meistens treten die ersten Symptome erst vier bis zwölf Wochen nach der Geburt auf und ähneln denen des Babyblues. Sie gehen aber nicht nach wenigen Tagen ohne Behandlung vorüber, sondern belasten zunehmend die Gesundheit der Frau, die Mutter-Kind-Beziehung und die Familiensituation.

Halten die folgenden Symptome über 2 Wochen an, spricht man bereits von einer postpartalen Depression: 

  • Depressive Verstimmung und emotionale Instabilität 
  • Übermäßige Erschöpfung 
  • Angst und Panik (auch vor dem allein sein mit dem Kind) 
  • Schlafstörungen  
  • Antriebslosigkeit und Interessensverlust 
  • Gereiztheit 
  • Erhöhte Empfindsamkeit, und Traurigkeit 
  • Teilnahmslosigkeit im Kontakt mit dem Baby (gestörte Mutter-Kind-Interaktion) 
  • Schuldgefühle gegenüber dem Baby 
  • Versagensängste 
  • Unfähigkeit, Entscheidungen zu treffen 

Psychologen und Psychotherapeuten greifen oftmals auf die “Edinburgh Postpartum Depression Scale” (EPDS) zurück. Dies ist ein wissenschaftlich erstellter Fragebogen, der speziell für Frauen nach der Geburt konzipiert ist und auf eine Wochenbettdepression schließen lässt.

Ursachen einer Wochenbettdepression

Die Entwicklung einer Postpartalen Depression ist von vielen Faktoren abhängig und umfasst häufig eine Überforderung mit der neuen Lebenssituation gepaart mit einer fehlenden sozialen Unterstützung. Viele Frauen sind nach der Geburt schnell mit ihrem Baby allein zu Hause und bekommen, auch aufgrund der Lebenssituation (Kleinfamilie), wenig Unterstützung. Durch die beeinträchtigte Nachtruhe kommt schnell eine große Erschöpfung zu Tage. Gleichzeitig besteht bei vielen Müttern ein enormer Leistungsdruck, das zuvor häufig selbst verinnerlichte Mutterbild zu erfüllen. Ein ausgeprägter Babyblues gilt außerdem als Risiko für das Auftreten einer Wochenbettdepression. 

Weitere Ursachen können sein: 

  • Bereits Depressionen in der Schwangerschaft 
  • Chronische Vorerkrankungen  
  • Häusliche Gewalt / schlechte soziale Situation 
  • Migrationshintergrund 
  • Substanzmissbrauch 
  • Geburtskomplikationen oder Traumata 
  • Persönlichkeit mit hohem Selbstanspruch 
  • Hormonelle Faktoren 

Ein häufiges Problem heutzutage ist, dass Frauen nicht mehr in einem engen Familienverbund leben und so als Mutter auf sich allein gestellt sind auch im Umgang mit ihrem Baby. Sie lassen sich durch das Umfeld leicht verunsichern und geraten so schnell in eine Stressspirale.

Betroffene Mütter haben häufig auch massive Schuld- und Versagensgefühle, weil sie sich ihrer Erkrankung sehr wohl bewusst sind. Es ist ihnen klar, dass sie ihrer Verantwortung gegenüber dem Kind nur in eingeschränktem Ausmaß nachkommen können und erleben darüber sehr starke Versagens- und Schamgefühle. 

!!Oftmals besteht eine lange Phase nach der Geburt von sechs bis sieben Monaten, bis es zum Ausbruch von Symptomen kommt!! 

Folgen und Behandlung einer Wochenbettdepression

Leider wird die Wochenbettdepression oftmals erst sehr spät oder auch gar nicht erkannt. Die Unwissenheit über die Erkrankung und das Abgrenzen vom „normalen“ stressigen Alltag ist für viele, auch enge Kontaktpersonen schwierig. Hinzu kommt, dass betroffene Mütter häufig massive Schuld-, Versagens- und Schamgefühle haben, weil sie ihrem Kind nicht gerecht werden können oder sich mit anderen Müttern in ihrem Umfeld vergleichen.

Die Mütter können ihrer Verantwortung gegenüber dem Kind nur in eingeschränktem Ausmaß nachkommen und nicht ausreichend auf die Bedürfnisse des Kindes eingehen. So kommt es zu einer gestörten Mutter-Kind-Interaktion. Mittlerweile weiß man, dass Kinder depressiver Mütter schnell Verhaltensauffälligkeiten (depressives Muster) zeigen und es im Verlauf auch zu Entwicklungsstörungen im kognitiven Bereich, die bis zum Schulalter andauern können, kommen kann.

Um dies zu vermeiden, aber auch die Gesundheit der Mutter zu gewahren ist eine therapeutische Behandlung notwendig. Die Therapie der Mutter wirkt dann gleichzeitig als Prävention für das Baby. Eine frühzeitige Behandlung ist notwendig, um eine andauernde Störung der Mutter-Kind-Bindung zu vermeiden.

Eine Betreuung durch eine Hebamme oder Mütterpflegerin ist bei den Frauen sehr wichtig. Außerdem sind psychotherapeutische Behandlungen in Form von Einzeltherapien mit oder ohne medikamentöse Begleittherapie empfohlen. Ebenfalls ist das Miteinbeziehen des engen sozialen Umfelds wichtig, um den Umgang mit der Erkrankung zu erlernen. Auch Selbsthilfegruppen können für die Betroffenen eine große Stütze sein.

Wichtig zu wissen ist, dass die Wochenbettdepression eine gut zu behandelnde Erkrankung ist. Je früher mit der Therapie begonnen wird, desto besser.

Fazit: Die Wochenbettdepression ist eine behandlungsbedürftige Erkrankung!!

Vorbeugung einer Wochenbettdepression

Nicht immer kann einer Wochenbettdepression vorgebeugt werden. Besonders wichtig ist es frühzeitige Anzeichen, eventuell sogar schon in der Schwangerschaft, zu erkennen und die Problematik anzusprechen. Im besten Falle kann durch eine frühe professionelle Hilfe eine Wochenbettdepression verhindert werden. Ein gutes Netzwerk mit Unterstützung nach der Geburt ist ebenso wichtig, um das Ausbrechen einer Depression zu verhindern oder die Symptome abzumildern.

Hatten Frauen bereits eine Wochenbettdepression, ist das Risiko einer erneuten postpartalen 
Depression nach einer weiteren Geburt erhöht. Hier sollte ebenso auf frühzeitige präventive Maßnahmen gesetzt werden, wie z.B. eine psychotherapeutische Begleitung, frühzeitiges Management von Schwangerschaft, Entbindung und Postpartalzeit besprechen und die Nutzung aller Ressourcen im sozialen Umfeld oder durch Programme wie „Frühe Hilfen“ (z. B. Familienhebamme) sowie Entlastung durch Beantragung einer Haushaltshilfe bei der Krankenkasse. Selten ist eine medikamentöse Prophylaxe in der Schwangerschaft oder direkt nach der Geburt notwendig. 

Anlaufstellen

Als erste Anlaufstelle für Betroffene oder Angehörige ist der Frauenarzt oder die Hebamme zu nennen. Sie können schnelle Hilfen und Unterstützung organisieren. Es gibt aber auch öffentliche Beratungsstellen, an die sich die Frau selbst oder auch der Partner/in wenden können. Neben einer Beratung, werden dort auch geeignete Psychotherapeuten vermittelt.

Schatten und Licht e.v.

Elternsein.info (Frühe Hilfen)

Wochenbettdepression-hotline.de

SeeleFon (auch für Angehörige)

Info Telefon Depression: 0800 3344533

Zum Nachhören geht’s hier zum Podcast der MamAcademy

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